Offener Brief zur Finanzsituation der Stadt Lichtenstein

Liebe Bürgerinnen und Bürger von Lichtenstein,
liebe Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,

in meiner Funktion als CDU-Stadtrat und 2. ehrenamtlicher stellvertretender Bürgermeister wurde ich mehrfach von vielen Bürgern, Freunden und Bekannten angesprochen, meinen Standpunkt zu den Aussagen von SPD-Stadtrat Jürgen Hofmann über das „Finanzdebakel seiner Heimatstadt Lichtenstein“, siehe Freie Presse vom 6. September 2017, zu äußern.

Um sich Klarheit über die Finanzsituation zu verschaffen, wäre nach meiner Auffassung eine Terminvereinbarung mit den zuständigen Fachbereichen der Stadtverwaltung zielführender gewesen, als den Bürgermeister und die Kämmerin öffentlich unfair zu beschuldigen.

Ich stimme, entgegen den polemisch untersetzten Äußerungen von Stadtrat Hofmann, die bei einer hohen Anzahl von Bürgern zu großer Verunsicherung geführt haben, in einer Aussage mit ihm überein, die da lautet:

„Ich halte es für unverzichtbar, den Bürgern die ungeschminkte Wahrheit über die Lage der Stadt zu verkünden.“

Im Gegensatz zu Stadtrat Hofmann geht nach meiner Auffassung diese ungeschminkte Wahrheit, bezogen auf die Verschuldung der Stadt, aus der am 11.09.2017 einstimmig vom Stadtrat beschlossenen Haushaltssatzung mit Haushaltsplan für die Haushaltsjahre 2017 und 2018 (Doppelhaushalt) unter Beachtung der Erläuterungen der Kämmerin bei der Vorstellung der Beschlussvorlage hervor.

Danach gliedert sich die Finanzsituation in drei wesentliche Bereiche:

1. Gesamtverschuldung des Kernhaushaltes

Diese beläuft sich auf 7,8 Mio. Euro. Bei Berücksichtigung des Kassenkredites beträgt sie 9,8 Mio. Euro.

2. Haftungsverpflichtungen / Bürgschaften

Diese bestehen gegenüber:

  • Regionaler Zweckverband Wasser und Zweckverband Fernwasser: 2,6 Mio. Euro
  • Städtische Wohnungsgesellschaft (SWG) und TDL- GmbH : 6,2 Mio. Euro
  • Zweckverband Gewerbegebiete Am Auersberg/Achat : 7,0 Mio. Euro
    (hier trägt die Stadt nach rechtmäßiger Satzung 70 % der Einnahmen und Ausgaben)

Erläuterung: Da die Stadt, wie der Name sagt, für Kredite, die Dritte aufgenommen haben, bürgt bzw. bei deren Insolvenz haftet, sind sie kein Bestandteil des Finanzhaushaltes der Stadt und fallen demzufolge nicht unter die Schuldenlast des städtischen Haushaltes. Die Stadt erhält für diese Kommunalbürgschaften von den Bürgschaftsnehmern sogenannte Bürgschaftsentgelte, die z. B. für die von SWG und TDL-GmbH aufgenommenen Kredite ca. 100.000,- Euro betragen.

3. Verbindlichkeiten

Diese bestehen in Form von:

  • Übertragung der restlichen Grundstückserlöse auf den ZV Gewerbegebiete : 620.000,- Euro
  • Nicht im Jahr 2017 verausgabte Schlüsselzuweisungen : 300.000,- Euro

Laut der verbindlichen gesetzlichen Verwaltungsvorschrift sind Verbindlichkeiten nicht der Gesamtverschuldung des Kernhaushaltes zuzuordnen.

Fazit: Auf der Grundlage „Verwaltungsvorschrift kommunale Haushaltswirtschaft vom 10.12.2013“ nach der jede Kommune ihre „Pro-Kopf-Verschuldung“ zu ermitteln hat, um einen einheitlichen Vergleichsmaßstab zu gewährleisten, ist von einer hohen Verschuldung auszugehen, wenn der Richtwert für den Kernhaushalt 850,- Euro pro Einwohner übersteigt.

Unter Hinweis auf Seite 38 Vorbericht zum Doppelhaushalt 2017/2018 ist folgende Kernaussage verbindlich:
„Die Verschuldung der Stadt Lichtenstein wird voraussichtlich zum
31.12.2017 : 7.826.150,- Euro und zum
31.12.2018 : 7.125.950,- Euro betragen.

Das entspricht zum 31.12.2018 einer Pro-Kopf-Verschuldung von rund 609,- Euro, die damit deutlich den Richtwert von 850,- Euro unterschreitet.

Lässt man die verbindliche Verwaltungsvorschrift außer Acht und berücksichtigt den Kassenkredit, ist von einer Verschuldung Ende 2017 von rd. 9.826.150,- Euro auszugehen, was einer Pro-Kopf-Verschuldung von 839,- Euro entspricht. Damit wird auch hier der Richtwert von 850,- Euro unterschritten. Weiterhin wird lt. Vorbericht (S.38) ausgeführt, dass zum Ende des mittelfristigen Betrachtungszeitraumes im Jahr 2021 eine Pro-Kopf-Verschuldung von rd. 426,- Euro zu erwarten ist.

Lediglich die zusätzliche Berücksichtigung des Kassenkreditanteiles des Zweckverbandes Gewerbegebiete würde zu einer Verschuldung zum 31.12.2017 in Höhe von 11.576.150,- Euro führen, was einer Pro-Kopf-Verschuldung von 989,- Euro entspräche. Letzteres geht jedoch nicht mit der verbindlichen Verwaltungsvorschrift Kommunale Haushaltswirtschaft konform und ist daher im Vergleich der Pro-Kopf-Verschuldung mit anderen Kommunen nicht relevant.

Im Ergebnis resultiert, dass die Verschuldung der Stadt Lichtenstein unter Zugrundelegung der Zahlenwerte aus dem vom Stadtrat einstimmig beschlossenen Haushaltsplanes 2017/2018 nicht, wie vom Stadtrat Hofmann im FP-Interview am 06.09.2017 genannt, 25 Mio. Euro beträgt, sondern, bezogen auf das Haushaltsjahr 2017, 7,8 Mio. Euro (ohne Kassenkredit) bzw. 9,8 Mio. Euro (mit Kassenkredit).

Mit einer daraus resultierenden Pro-Kopf-Verschuldung von 609,- Euro bzw. 839,- Euro weist die Stadt Lichtenstein zum Beispiel gegenüber den Kommunen Meerane, Waldenburg, Stollberg oder Gersdorf einen beachtlich niedrigeren Schuldenstand auf. (Quelle: Statistik Sachsen, Stand 31.12.2015)

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass die Gemeinde St. Egidien auf der Grundlage des Beschlusses des Sächsischen OVG Bautzen vom 09.12.2014 in Verbindung mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes Chemnitz vom 29.03.2017 verpflichtet wurde, die der Stadt Lichtenstein zustehenden Steuereinbehalte aus den Gewerbegebieten Am Auersberg/Achat, auszuzahlen.

Durch die geleistete Auszahlung an die Stadt von 2,7 Mio. Euro wurde eine deutliche Verbesserung der Liquidität im Finanzhaushalt erreicht.

Nach der Darstellung in der Informationsvorlage IV 01/09 /2017 vom 04.08.2017 auf der Tagesordnung der Stadtratssitzung am 11.09.2017 konnte der Planwert des Finanzmittelbestandes von ursprünglich
-845.000 Euro zum Stand vom 30.06.2017 auf 1,8 Mio. Euro erhöht werden.

Kritisch und unverschämt ist die Haltung der Gemeinde St. Egidien zu bewerten, indem noch ausstehende Zahlungen von

  • 109.000 € aus den Vorjahren und
  • 1,18 Mio. € aus den laufenden Steuereinnahmen der Fälligkeitstage 30.06.2017 und 30.09.2017

bisher nicht überwiesen wurden.

Liebe Bürgerinnen und Bürger, sehr geehrte Damen und Herren,

mir war es wichtig, im Rahmen explizit bestätigter Zahlen und Fakten auf der Grundlage gesetzlich vorgeschriebener Bestimmungen, die Finanzsituation der Stadt Lichtenstein und hier insbesondere ihre Verschuldung objektiv und eindeutig herauszuarbeiten und darzustellen.

Lothar Bieling
2. ehrenamtlicher stellvertretender Bürgermeister und Stadtrat